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5. Kapitel
Mit Frust und
Aggression zur Hochschulreife
Mehr durch Zufall als
durch geplantes Handeln landete ich wieder in Hannover wie ehemals nach
meiner Republikflucht aus der ehemaligen DDR. Auf der Besamungsstation
in Hannover-Kirchrode hatte ich die Stelle als Laborant angenommen und
wurde daneben für Telefondienst, Kurierfahrten, Bullentransporte und
alle möglichen anderen Aufgaben abgestellt. Ich fand eine kleine Wohnung
in der Nähe der Besamungsstation und so begannen wir uns peu à peu in
Kirchrode einzurichten.
Einerseits war ich froh,
wieder in der Besamung tätig zu sein, andererseits war ich unsicher, ob
ich mit Hannover die richtige Entscheidung gefällt hatte. Denn auf der
Besamungsstation wurde alles durch Tierärzte dominiert,
Besamungstechniker waren für die Durchführung der Besamung nicht
zugelassen, und wenn man sie überhaupt zur Kenntnis nahm, wurden sie nur
als Laienbesamer bezeichnet. Dennoch entwickelte sich diese Stelle zu
einer sicheren Position für unsere kleine Familie. Ich arbeitete im
Labor mit meinen Zusatzdiensten nach Feierabend und an Wochenenden,
während meine Frau im Büro der Station an der EDV-Maschine Lochkarten
tippte. Unser Sohn spielte im Laufstall neben der Maschine oder ich
kümmerte mich um ihn, wenn seine Mutter arbeitete, während ich frei
hatte.
Dadurch, dass wir beide
verdienten, waren wir einigermaßen gut gestellt und konnten uns auch
bald eine etwas größere Wohnung leisten. Mich störte jedoch sehr, dass
meine Vorgesetzten und sonstigen Bezugspersonen alles Tierärzte waren,
zu denen ich immer artig Herr bzw. Frau Doktor sagen musste. Ein
Bullenpfleger hatte einem Vorgesetzten gegenüber, auch ein Doktor,
Arbeitsverweigerung begangen, was mit sofortiger fristloser Entlassung
geahndet wurde. Für mich als subalternen Angestellten hieß es also,
Ohren anlegen, was mir nicht leicht viel. Denn einerseits war ich immer
noch so etwas wie ein ungehobelter Bauernbursche und andererseits hatte
ich meine Ressentiments jedweder Obrigkeit gegenüber, was sich wohl in
meiner Kindheit begründet und mir mein Leben lang als Manko geblieben
ist.
Dass ich in Hannover vier
Jahre später ebenfalls per fristloser Entlassung expediert werden
sollte, war jedoch noch nicht abzusehen. Der Fairness halber muss ich
aber hinzufügen, dass ich die fristlose Entlassung seinerzeit
ausreichend provoziert hatte und dass ich im Ganzen betrachtet auf der
Besamungsstation in Hannover eine sehr nützliche Zeit hatte.
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